Folge Iv

Erster Berlinale-Tatort:
Alles nur Film?

Der „Tatort": „Ein ganz wichtiges Fernseh-Ritual" nennt Schauspielerin Anna Schudt (TV-Kommissarin Bönisch im Dortmunder Tatort-Team) die erfolgreichste Krimi-Reihe Deutschlands. Sputnik geht dem TV-Phänomen auf den Grund. In dieser Folge verrät die Fernsehredakteurin Josephine Schröder-Zebralla, welche Vorarbeiten für den neuen Tatort nötig waren.





Folge Iv

Erster Berlinale-Tatort:
Alles nur Film?

Der „Tatort": „Ein ganz wichtiges Fernseh-Ritual" nennt Schauspielerin Anna Schudt (TV-Kommissarin Bönisch im Dortmunder Tatort-Team) die erfolgreichste Krimi-Reihe Deutschlands. Sputnik geht dem TV-Phänomen auf den Grund. In dieser Folge verrät die Fernsehredakteurin Josephine Schröder-Zebralla, welche Vorarbeiten für den neuen Tatort nötig waren.
Matthias Witte
Am Sonntag kommt der Tatort aus Berlin. Er heißt „Meta" und spielt zum ersten Mal auf der Berlinale. „Meta" ist ein „Film im Film". Wie akribisch an jedem Fall bis zum Sendetermin gearbeitet wird, verrät Fernsehredakteurin Dr. Josephine Schröder-Zebralla vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB).
Das Muster des Tatorts ist fast immer gleich: Er dauert knapp 90 Minuten, jemand wird ermordet. Meistens wissen die Zuschauer am Ende, wer der Mörder ist. Innerhalb dieses Rahmens ist fast alles erlaubt. Doch wieviel Arbeit steckt in jeder Folge? Was heißt es, einen Tatort zu planen? Und wie entsteht aus einem Plot ein guter Kriminalfilm?

Dr. Josephine Schröder-Zebralla arbeitet beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Dort ist die Redakteurin für den Tatort mitverantwortlich:
Zur Produktionsphase gehören die Drehbuchentwicklung, die Herstellungsphase des Films, die Postproduktion bis hin zur Pressearbeit und dann zur Ausstrahlung. Das zusammen dauert bestenfalls anderthalb Jahre, wenn man dranbleibt an der Geschichte.
Dr. Josephine Schröder-Zebralla, Fernsehredakteurin (rbb)
Von diesen anderthalb Jahren beträgt der Anteil der Drehtage gerade einmal 22. Mehr sind laut Schröder-Zebralla nicht vorgesehen. Damit beim Drehen alles reibungslos läuft, wird akribisch vorgearbeitet. Die meiste Zeit benötigt die Entwicklung des Drehbuchs. Die Redakteurin erklärt das Procedere
Frau Dr. Josephine Schröder-Zebralla.
Foto: rbb/Gundula Krause
„Wer meint, einen spannenden Plot für einen ‚Tatort' zu haben, wendet sich an eine Produktionsfirma. Gemeinsam wird ein Exposé erstellt. Das ist die vier- bis sechsseitige Kurzform einer Geschichte. Ein Exposé enthält das Thema, die handelnden Figuren und einen ungefähren Fortgang der Geschichte. Daraufhin entscheiden wir: Ja, wir finden es interessant – oder eben nicht."

Bis zu sieben unterschiedliche Drehbücher

Der nächste Schritt ist das sogenannte Treatment. Hierbei wird laut Schröder-Zebralla die Geschichte in Bilder aufgeteilt. Da sitzen Autoren und Redaktion alle vier bis sechs Wochen zusammen und sprechen wieder und wieder über den Text. Und das ist Detailarbeit: „Wir sprechen über die Figuren, über die Psychologie der Figuren, über die Spannung, über den Spannungsbogen der Geschichte, wie er geführt wird. Das ist schon ein bisschen mühsam – vor allem für die Autoren, weil die dann mehrere Fassungen schreiben. Manchmal drei bis sieben unterschiedliche – je nachdem, wie gut wir miteinander kommunizieren. Wenn wir eine gemeinsame Vorstellung dieser Geschichte entwickeln, dann sind wir vielleicht in einem knappen Jahr mit dem Drehbuch fertig und haben die fertige Geschichte vor uns liegen."

Das Drehbuch ist also ohne Zweifel die Königsaufgabe. Der Regisseur kommt meistens schon bei der ersten oder zweiten Drehbuchfassung dazu. Auch er bringt seine Vorstellung ein, erklärt den Redakteuren, wie der Plot filmisch umgesetzt werden könnte. „In diesem Stadium beginnen auch die Überlegungen, welche Schauspieler für welche Rolle in Frage kommen könnten", erklärt die Redakteurin. „Außerdem lesen unsere Hauptdarsteller das Buch und sagen: ‚Finde ich gut, das ist meine Figur, das spiele ich'. Oder sie haben Kritik und machen Verbesserungsvorschläge."
Hauptdarsteller „passen höllisch auf"

Gespielt werden die beiden Hauptkommissare im Berliner Tatort von Mark Waschke und Meret Becker. Ob die beiden schwierig sind, wollen wir wissen: „Nö", antwortet Schröder-Zebralla wie aus der Pistole geschossen. „Die sind ganz guter Dinge, sind humorvoll und kollegial miteinander und genauso auch zu mir." Die beiden Schauspieler sind laut der Redakteurin engagiert und haben ein großes Interesse an ihren Rollen: „Sie passen da höllisch auf und sagen: ‚Hier wäre ich aber ganz anders, als es hier beschrieben ist."
Foto: RBB / Reiner Bajo
So benutze Kommissar Karow, gespielt von Mark Waschke, so gut wie nie den Konjunktiv, sondern spreche knallharte, direkte Hauptsätze: „Manchmal behauptet er Dinge, die nicht stimmen, um sein Gegenüber zu provozieren oder zu manipulieren. Er benutzt keine ‚Wischiwaschi'-Sprache. Darauf muss man bei den Dialogen achten."


„Meta": Was ist „Film im Film" und was ist Tatort?

Erst wenn dann alles steht, wird gedreht: Für den neusten Tatort „Meta" sogar auf dem roten Teppich der Berlinale.
Wir haben zum allerersten Mal vor dem großen Berlinale-Palast drehen können. Die Berlinale hat uns toll unterstützt. Wir hatten einen kleinen Slot zwischen zwei Filmpremieren, wo wir drehen konnten. Da musste alles passen. Es war nicht einfach, es hat nämlich geregnet.
Dr. Josephine Schröder-Zebralla, Fernsehredakteurin (rbb)
In der neuen Tatort-Folge wird Kommissar Karow der Finger eines jungen Mädchens zugeschickt. Gemeinsam mit seiner Kollegin Rubin entdeckt er, dass der Finger einer minderjährigen Prostituierten gehört. Auf der Suche nach dem Absender stoßen die beiden auf einen jungen Regisseur und eine Produktionsfirma, die mit ihrem ersten Film „Meta" Premiere auf der Berlinale feiern. In diesem Film wird haarklein der Mord einer jungen Prostituierten geschildert. Die Kommissare sind verblüfft: Denn was die Polizisten im Film ermitteln, passt genau zu ihrem Fall. Insofern beginnt ein Spiel zwischen Film und Fantasie: Was ist „Film im Film" und was ist der Tatort?
Foto: RBB / Reiner Bajo
Diese Situation, das Schweben zwischen zwei Ebenen, mache laut Schröder-Zebralla den Reiz des neuen Tatorts aus:
Speziell Kommissar Karow taucht obsessiv in den Film ‚Meta' ein. Er versucht ihn nach Hinweisen zu filtern, um seinen eigenen Fall zu lösen. Er sitzt nächtelang im Kino und guckt sich immer und immer wieder diesen Film an und fragt sich: Was will er mir über den aktuellen Fall sagen? Es tauchen viele Parallelen auf.
Dr. Josephine Schröder-Zebralla, Fernsehredakteurin (rbb)
Mehr verraten wir nicht. Die Arbeit von Frau Schröder-Zebralla endet, wenn der Tatort ausgestrahlt wird.
Foto: RBB / Reiner Bajo
Zum Schluss wollen wir von der Redakteurin wissen, was einen guten Sonntagabend-Krimi ausmacht: „Der Tatort sollte spannend sein, emotional, ein interessantes Thema haben, das sich aus der Zeit heraus schöpft und das auch brisant sein kann. Wichtig, dass man sich mit den Figuren identifizieren kann, dass man mitgehen kann, dass man einen Sympathieträger innerhalb der Geschichte hat. Wenn das alles zusammenkommt, dann ist schon viel passiert."
Das komplette Interview mit Dr. Josephine Schröder-Zebralla finden Sie hier:
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